Ich wußte nicht recht wie ich reagieren sollte, als meine Bekannte mir zum ersten mal die Probleme mit ihrem Pferd schilderte, von Araberreiter zu Araberreiter sozusagen. Sie besitzt einen Vollblutaraberhengst. 6 jährig roh von der Koppel gekauft und allein ausgebildet. Der Fuchs ist sehr lieb und umgänglich, hat gute Nerven und alles lief bestens, bis er eines Tages das Rennen anfing. Sie beschrieb mir die Gangart als "2 Gänge höher als Galopp, es geht ein Ruck durchs Pferd und dann ....", „Hast du versucht ihn durchzuparieren?“ „Ja, keine Chance“ „Warum bist du keinen Kreis geritten?“ „War zu schnell“ „Hm, das ist eindeutig ein Gehorsamkeitsproblem (was sonst), Dressur könnte ihm guttun.“ Mehr viel mir nicht ein. Ich war keine wirkliche Hilfe. Es stellte sich noch heraus, das der Hengst nach ca 3-5 km dann von allein vom Geschwindigkeitsrausch in die normale Welt zurückfand. Zuerst hat meine Bekannte dieses Phänomen nicht ernst genommen, aber dann trat es wiederholt auf und sie mußte reagieren, denn normalerweise hat man im Mitteleuropa, auch im tiefsten Wald, andere Verkehrsteilnehmer (z.b. Förster die per Jeap unvermittelt den Weg kreuzen) und kann nicht dem Pferd die Regie überlassen.
Was war passiert? Wo lagen die Ursachen, bei einem bis dahin sehr braven Pferd? Meine Bekannte, eigentlich erfahren im Umgang mit Arabern, hat in ihrem jugendlichen Leichtsinn die Waldbrandwundstreifen als wunderbare Galoppstrecken für ihren Hengst entdeckt und wollte irgendwann wissen,wie schnell er wirklich ist. Nun ist ein Hengst ja von Natur aus dazu da Herausforderungen anzunehmen und ihrer hat sich nicht lange bitten lassen und schnell Gefallen an dieser Art der sportlichen Betätigung gefunden. Nun weiss sie wie schnell er ist und könnte, wie ich glaube, im Nachhinein auf dieses Wissen gerne verzichten. Ihr Hengst aber hat den Geschwindigkeitsrausch für sich entdeckt, ich vermute inklusive "Adrenalin-Kick", und Frauchen ist, zumindest in dieser Phase der gemeinsamen Ausflüge, nur noch Passagier.
Zu meinem Glück war ich nie so neugierig. Vielleicht doch von Vorteil, wenn man etwas älter mit dem Reiten beginnt. Mein erster Traber galoppiert nur mit viel Überredung. Mein zweiter Traber galoppiert gern und sehr schön kontrolliert. Er ist im Galopp langsamer als im Trab, wo ich eher Probleme hab ihn zu regulieren. Einmal hat mich doch der Leichtsinn geritten und bei einem schönen Galopp bergauf hab ich mehr gefordert. "Das geht doch schneller!" "Gern" kam prompt als Antwort und er schaltete freudig einen Gang höher, die Landschaft zog entschieden schneller an mir vorbei und ruck zuck war der Wald zuende. Nie wieder hatte ich Verlangen nach dieser Geschwindigkeit (und ich bin mir sicher es währe auch noch schneller gegangen) aber immer wenn wir an besagter Stelle vorbeikommen fragt er mich "Schneller?" "Heute nicht." antworte ich dann und hoffe, das er es irgendwann wieder vergißt.
Vollblüter sind nun mal Rennpferde, und wer kein Rennpferd reiten will sollte sich für einen Haffi, oder Friesen oder oder entscheiden. Der Großvater des bravsten Arabers und erst recht der Vater des liebsten Trabers haben ihr Brot durch Rennen gegen andere Pferde verdient und nur die Sieger kamen in die Zucht. Nicht die Sieger nach 400m wie bei den Quarterhoses, das Derby war erst nach 3,5 km zuende. Um da zu gewinnen brauchte man ein starkes Herz, gute Lungen und durfte nicht bei jedem kleinen Piepen in den Gelenken das Handtuch werfen. Zum Hochleistungssport gehört auch bei Pferden eine gewisse "Verrücktheit" kein normales Pferd läuft bis zum Umfallen, die meisten Vollblüter schon.
Ich möchte lieber nicht wissen wie schnell mein Stütchen ist. Als Shagya-Araber aus alten Militärpferdezuchten stammend hat sie aber sicher auch einen Schuß "Maulesel" abbekommen. Und manchmal nervt mich das. Schließlich reite ich auf Vollblütern, weil sie so fleißig, sensibel und vorsichtig sind, alles mitmachen, und als Strafe anschreien eigentlich schon zuviel ist. Gegen ein Pony könnte ich mich nie durchsetzen. Eimal war meine Geduld am Ende und ich hab meiner Stute die Hacken in die Seite gehauen damit sie im Galopp nicht einschläft "Schneller!". Ein Ohr kam nach hinten und fragte noch mal nach "Wirklich?" Ich fand das frech, betätigte noch mal meine Hacken und das andere Ohr kam auch nach hinten "Na dann halt dich mal fest!"
In dem Augenblick wo sie anzog war ich mir meines Fehlers auch schon bewußt. Es war fast die gleiche Stelle, wo ich den Traber beschleunigt hatte. Vielleicht sitzt dort hinter einem Busch ein kleiner Kobold, der Reitern solchen Leichtsinn ins Ohr flüstert und sich dann darüber kaputtlacht. Ich fand das Tempo jedenfalls nicht lustig, mußte aber die nächsten 200m damit leben, da man ja einen einmal gegebenen Befehl nicht gleich wieder zurücknehmen kann. Ich tröstete mich damit, das der Braune bei gleicher Nachdrücklichkeit der Hacken bis in die nächste Stadt gelaufen währe. Die Schimmelstute ist etwas dickfelliger und ließ sich problemlos wieder bremsen. "War doch nicht so gemeint." entschuldigte ich mich etwas kleinlaut.
Wer also mit Vollblütern und Kreuzungen (man weiß ja nie was die von wem geerbt haben) ins Gelände geht sollte nur dann Galoppieren, wenn er sich sicher ist das Tempo bestimmen zu können. Laßt Euch nicht auf Wettrennen ein und meidet den Ausritt mit Leuten die es darauf anlegen. Wenn erst mal der Ehrgeiz in so einem Renner geweckt ist ist es schwierig ihn wieder zum gemütlichen Genuß der Natur zu überreden. Außerdem würde euer Blüter sowieso jedes Pony, Kalt-oder Warmblut überholen. Ihr müßt das nicht wirklich ausprobieren. Das Problem ist, viele Reiter auf Ponys, Hafis oder ähnlichem lassen ihre Pferde gerne, vor allem zu Beginn des Ausritts, "einfach mal Laufen" weil sie dann "Dampf ablassen" und anschließend leichter zu händeln sind. Mit Vollblütern klappt das in der Regel nicht, denn die sind zum Rennen geboren. Bei Strecken unter 3 km zucken sie mit der Schulter und sind gerade mal warm geworden, also schwieriger zu händeln als vorher nach dem Motto: "Das war alles?", während jeder Haffi nach spätestens 500m diese sinnlose Kraftvergeudung nicht mehr einsieht und vor allem auch keine Luft mehr bekommt (nach meinen Erfahrungen, liebe Haffireiter erschlagt mich bitte jetzt nicht), ist ein Araber gerade mal auf Betriebstemperatur und möchte nun gerne zeigen was wirklich in ihm steckt.
Aber Vorbeugung ist die eine Sache, was tun wenn man bereits ein "Rennpferd" hat? Ich weiß es nicht. Meiner Bekannten habe ich empfohlen erst mal den Galopp wegzulassen. Was bei ihr nicht so recht ankam, wahrscheinlich gehören immer 2 zu so einem Rennteam, Pferd und Frauchen. Aber in der Endkonsequenz hat sie es größtenteils so gehandhabt. Nur noch Schritt und Trab, Galopp als Ausnahme und solange es "gut geht" (langsam und kontrolliert) z.B. hinter einem Führpferd jeden Versuch zum Überholen im Keim erstickend. Sie beschreibt mir dann immer freudestrahlend, wie k.o. und schweißgebadet sie nach solchen seltenen Galoppstrecken ist. Das glaube ich ihr gerne, sie muß ihren Liebling ja streng kontrollieren und darf ihm nicht die kleinste eigenmächtige Beschleunigung durchgehen lassen, sonst findet sie sich ruck zuck bei 50km/h wieder. Sie meint manchmal auf einem Pulverfass zu sitzen, aber ihr Hengst, ganz Gentleman, dazu noch lustig, buckelt und keilt aus, irgendwo muß seine Kraft ja hin, rennt aber nicht mehr mit ihr los. Nach dem Motto: "Ich könnte wenn ich wollte, aber weil du es bist, bin ich brav." Seit zwei Jahren nun keine Probleme mehr mit der Gangart, aber ich denke einen wirklich entspannten Galopp wird es auf diesem Pferd nicht mehr geben. Was hat meine Bekannte nicht getan? Sie hat nicht versucht durch ein schärferes Gebiß ihr Pferd zu bremsen. Nach wie vor geht er auf Wassertrense. Und ich denke das war sehr klug und Lady-like von ihr. Ansonsten hätte sie jetzt vielleicht eine echten Durchgänger und nicht einen Spaßvogel der gerne mal etwas schneller unterwegs ist, wenn sich die Möglichkeit ergibt.
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